Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung: Hunderten Demokratieprojekten droht das Aus zum 1. Januar – tausende Entlassungen sind zu befürchten

Wir veröffentlichen und teilen die Sorge, die hier in der Erklärung der BAG-Demokratieentwicklung, vom 8. Dezember 2023 zum Ausdruck gebracht wird. Es drohen Kürzungen in den Bereichen Demokratieförderung, Prävention gegen Rechts und anderen gesellschaftlich wichtigen Projekten!

Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung, 8.12.2023

Der nicht verabschiedete Haushalt 2024 und die aktuelle Sperrung für zukünftige Ausgaben bedrohen die über 20 Jahre mühsam aufgebaute Landschaft der Demokratieprojekte in ihrer Existenz. Wenn es nicht spätestens bis Weihnachten eine Lösung gibt, müssen Kompetenznetzwerke, Beratungsstellen und Modellprojekte zum Jahreswechsel ihre Arbeit einstellen.

Beratungsangebote für Opfer rechter Gewalt und für Antisemitismusbetroffene, Mobile Beratung als Unterstützung für Kommunalpolitik und Zivilgesellschaft, die bundesweiten Kompetenznetzwerke der Bildungs- und Vernetzungsarbeit zu Rassismus und Diskriminierung, Projekte der Deradikalisierungs- und Ausstiegsarbeit sowie die kommunalen Partnerschaften für Demokratie stehen vor dem Aus.

Derzeit verfügen diese wichtigen Demokratieprojekte über keine Förderzusagen zum 1. Januar 2024 durch das zuständige Bundesfamilienministerium für das letzte Förderjahr der aktuellen Periode von „Demokratie leben!“. Auch ein „vorzeitiger Maßnahmebeginn“, der den Trägern die Fördermittel auch bei späterer Zahlung zusichert und damit die Zahlungsfähigkeit sicherstellt, kann nicht gewährt werden. Die Träger müssen ihre Maßnahmen zwangsläufig aussetzen. Damit laufen Arbeitsverträge aus oder müssen gekündigt werden. Büromieten können nicht mehr gezahlt werden. Noch gravierender aber: Menschen, die sich auf die professionelle Unterstützung verlassen und auf Hilfe angewiesen sind, können nicht mehr beraten und begleitet werden.

Zuletzt hatten Familienministerin Lisa Paus und Innenministerin Nancy Faeser, die für die beiden zentralen Demokratieförderprogramme verantwortlich sind, noch die immense Bedeutung der Angebote betont. Ein „Demokratiefördergesetz“, das die Voraussetzungen für eine längerfristige Absicherung schaffen soll, steht nach jahrelangen Auseinandersetzungen nach Angaben der Koalition vor einer Verabschiedung noch in diesem Jahr. Offen bleibt, wie es final ausgestaltet sein wird. Es wird seinen Zweck jedoch in keinem Fall erfüllen können, wenn die Träger wegen ausbleibender Zahlungen ihre Arbeit einstellen müssen.

Die Demokratieförderung in Deutschland ist akut bedroht. Die Ampel kommt ihren eigenen Versprechen aktuell nicht nach und lässt die Träger und Projekte im Regen stehen. Auch von der CDU kommen aktuell keine konstruktiven Lösungsvorschläge, um wichtige Arbeitsfelder in dieser Krisensituation abzusichern.

Wir fordern daher:

  • Die sehr zügige politische Einigung auf einen Haushalt 2024 ohne Kürzungen im Bereich der Demokratieförderung deutlich vor Weihnachten.
  • Die Bewilligung eines vorzeitigen Maßnahmebeginns für die Träger in den Bundesprogrammen noch vor Weihnachten, damit die Arbeit in einem ersten Schritt überhaupt fortgeführt werden kann. Träger können dann mit Krediten oder über Kofinanzierungsmittel der Länder in Vorleistung gehen, deren Rückerstattung dann rechtlich möglich wäre.
  • Eine zügige Freigabe der Mittel im Januar 2024 für das letzte Jahr der aktuellen Förderperiode von „Demokratie leben!“, damit der Erhalt der Arbeit nicht in der Verantwortung der Träger und ihrer Mitarbeitenden liegt. Hierzu müssen die Ministerinnen beim Finanzminister eine Ausnahme geltend machen.
  • Die Einlösung des Versprechens, durch das Demokratiefördergesetz eine nachhaltige Absicherung der Maßnahmen zu gewährleisten. Das Gesetz muss endlich durch die Ampel im Bundestag verabschiedet werden.

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, warnt vor einem irreparablen Schaden für die demokratische Projektlandschaft:
„Beratungsstellen verzeichnen Rekordanfragen von Betroffenen rechter Gewalt und Bedrohungen. Rechtsextreme wähnen sich vor dem Superwahljahr 2024 im Höhenflug. Und zur gleichen Zeit droht der größte Kahlschlag in den Projekten, die Betroffene unterstützen und für demokratische Werte streiten, weil sie ab Januar ohne Geld dastehen. Wenn jetzt nicht in kürzester Zeit eine Zusage der Finanzierung bei den Trägern eintrifft, macht die Koalition den Rechtsextremen das größte Weihnachtsgeschenk, dass sie sich vorstellen können.“

[Zur Original-Pressemitteilung mit der aktuellen Liste der Unterstützer*innen, auf den Seiten der Amadeu-Antonio-Stiftung] -> Klick hier <-

Ende des Heinrich-Böll-Hauses: Es wird hier ein riesiges Loch gerissen!!!

Hervorgehoben

Pressemitteilung des Trägervereins „Unsere Welt – für Frieden, Umwelt, Gerechtigkeit e.V.“ vom 10. Dezember 2023:

Heinrich-Böll-Haus Lüneburg

Heute wurde vor dem Landgericht Lüneburg die Entscheidung zum Heinrich-Böll-Haus verkündet. Der Verein „Unsere Welt – für Frieden, Umwelt, Gerechtigkeit e.V.“ hat den Prozess verloren und muss damit das Haus geräumt an den Eigentümer übergeben.
„Wir sind enttäuscht und traurig. Lüneburg verliert einen Ort für politisches, soziales und ökologisches Engagement,“ so Beate Friedrich, Teil des Vorstands des Trägervereins.
Das Heinrich-Böll-Haus war seit Beginn der 1990er Jahre ein selbstverwalteter und unabhängiger Ort für das Engagement für eine Vielzahl von Themen: nachhaltige Mobilität, Natur- und Umweltschutz, nachhaltige Ernährung, Klimaschutz, Kinderrechte, globale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Willkommenskultur, geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, Fairer Handel, Bildungsgerechtigkeit, Antirassismus und Antifaschismus.
„Ein Ort für Vernetzung und Kommunikation wird fehlen, ein Ort für Treffen und Austausch, ein Ort für unseren Versuch, die Welt ein Stück besser zu machen“, so Beate Friedrich. “20 Initiativen verlieren damit ihr Dach über dem Kopf. Nun stehen wir vor der ganz praktischen Frage: wohin?“
Der Verein „Unsere Welt – für Frieden, Umwelt, Gerechtigkeit e.V.“ ist nicht nur Träger des Heinrich-Böll-Hauses, sondern setzt immer wieder gemeinnützige Projekte um. Ein Beispiel dafür ist die Bio-Brotbox-Aktion: Seit über 15 Jahren werden im Herbst lecker gefüllte Brotboxen an Kinder der ersten Grundschulklassen in Stadt und Landkreis Lüneburg verteilt, um Aufmerksamkeit für gesundes Frühstück und Lebensmittelherkunft zu schaffen. Diese Projekte werden fortgeführt.

Solidarität mit unserem Mitgliedsverband SJD-Die Falken

Das Loch im Schaufenster, durch das eine „Antihomophobe-Aktion“-Fahne entwendet wurde

Bereits am 6. Oktober ereignete sich ein Anschlag auf das Büro und Treffpunkt des sozialistischen Kinder- und Jugendverbandes „Sozialistische Jugend – Die Falken“ in der Lauensteinstraße 1 in Lüneburg. „Erneut“ ließe sich an dieser Stelle hinzufügen, denn diese Handlung ist kein Einzelfall. Sie reiht sich ein in eine Reihe von Anschlägen auf die Geschäftsstelle und in letzter Zeit immer wieder auftretenden Anfeindungen gegenüber sich antifaschistisch engagierenden Personen in Lüneburg. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich auch in diesem Fall um eine politisch motivierte Aktion handelt, da mit einem massiven Pflasterstein mehrfach auf die Schaufensterscheibe des Büros eingedroschen wurde, bis sie schließlich brach. Daraufhin wurde die im Schaufenster hängende Fahne mit der Aufschrift „Antihomophobe Aktion“ entwendet.

Wir beteiligen uns an der Aktion
„Die Fahne muss überall zu sehen sein“,
des Lüneburger Netzwerks gegen Rechts

Wir als Stadtjugendring verurteilen diesen Angriff aufs Schärfste. Er stellt in unseren Augen einen direkten Angriff auf freiheitlich-demokratische Grundwerte dar. Der Versuch, Menschen mit Hilfe von Gewalt in ihrer persönlichen und ganz individuellen Entfaltung einzuschüchtern, darf nicht toleriert werden! Öffentliche Gewaltausübung zu nutzen, um Unsicherheit und Angst in die Gesellschaft zu streuen, deren Folge Destabilität sein kann, darf für die Täter*innen nicht folgenlos bleiben! Es ist im Selbsterhaltungsinteresse politischer Institutionen und besonders der Zivilgesellschaft, ein solches Verhalten nicht zu tolerieren und wegzuschauen! Denn wenn weiterhin ein öffentlicher Diskurs gewollt ist, in dem angstfreie Meinungsäußerung stattfinden kann, muss eine liberale, demokratische Gesellschaft öffentlich ausverhandeln, wie mit einem solchen Verhalten – wie dem Angriff auf den Falken-Treffpunkt – umzugehen sei. Sollten diese Aushandlungsprozesse nicht stattfinden und reale Vorkommnisse ignoriert werden, besteht die Möglichkeit einer subtilen, antidemokratischen Unterwanderung und folglichen Ausrichtung der freiheitlichen Gesellschaften.